Die Katharinenkammer mit der S 11 im Hintergrund. Im Thielenbruch wurden insgesamt zehn Messpunkte installiert.

Aus­bau der S11 und Na­tur­schutz

29.03.2023

Grundwasser auf dem Prüfstand

Lan­ge be­vor die Bau­ar­bei­ten auf der Li­nie S11 be­gin­nen, be­ob­ach­tet die DB das Grund­was­ser im Thie­len­bruch. Be­son­ders für den Schutz des sen­si­blen Moor­ge­biets ist das Grund­was­ser­mo­ni­to­ring es­sen­zi­ell.

"Das FFH- und Na­tur­schutz­ge­biet 'T­hie­len­bruch und Thur­ner Wal­d' im Stadt­ge­biet von Köln wird fach­lich seit über 10 Jah­ren von uns be­treut. Dar­in sind lan­des­weit ein­zig­ar­ti­ge Bio­top­ty­pen vor­han­den, wie zum Bei­spiel das letz­te ver­blie­be­ne Kalk­flach­moor in NRW. Die Plä­ne zum zwei­glei­si­gen Aus­bau der di­rekt ne­ben dem Kalk­flach­moor lie­gen­den S-Bahn­stre­cke be­grüß­ten wir da­her zu­nächst nicht, da der Bio­top­typ sehr emp­find­lich auf Ein­grif­fe re­agiert (insb. auf Ver­än­de­run­gen im  Was­ser­haus­halt).  Dank ei­ner sehr kon­struk­ti­ven Zu­sam­men­ar­beit mit den Pro­jekt­trä­gern ge­lang es al­ler­dings, die Plä­ne so­weit zu mo­di­fi­zie­ren, dass die Be­ein­träch­ti­gun­gen auf das Bio­top auf ein nach un­se­rer Ein­schät­zung un­schäd­li­ches Maß re­du­ziert wer­den konn­ten. 

Wir wür­den uns sehr freu­en, wenn die­ses Bei­spiel Schu­le macht. Denn all­zu oft wer­den die Be­lan­ge von Na­tur und Um­welt beim In­fra­struk­tur­aus­bau nur un­zu­rei­chend oder gar nicht be­rück­sich­tigt."

- Sön­ke Ges­ke, Ge­schäfts­füh­rer NABU-Na­tur­schutz­sta­ti­on Le­ver­ku­sen – Köln e.V. 

Die Deut­sche Bahn hat schon 2020 das Grund­was­ser­mo­ni­to­ring im Na­tur­schutz­ge­biet Thie­len­bruch ge­star­tet. Seit­her und in den kom­men­den Jah­ren wer­den kon­ti­nu­ier­lich Mes­sun­gen zum Grund- und Ober­flä­chen­was­ser im ge­sam­ten Ge­biet vor­ge­nom­men. Er­mit­telt wer­den soll der Ist-Zu­stand der Ge­wäs­ser und des Grund­was­sers vor Ort. Die­se Er­kennt­nis­se bil­den die Grund­la­ge, um die Ge­wäs­ser­ent­wick­lung und -qua­li­tät zu über­wa­chen, wenn die Glei­se für die S 11 in ei­ni­gen Jah­ren aus­ge­baut wer­den.

Ge­plant ist, dass die Stre­cke zwi­schen Köln-Dell­brück und Ber­gisch Glad­bach zwei­glei­sig wird. Rund 560 Me­ter füh­ren da­bei durch das Na­tur­schutz­ge­biet Thie­len­bruch. Not­wen­dig ist der Aus­bau, um den Takt auf der stark fre­quen­tier­ten S11 von 20 auf na­he­zu 5 Mi­nu­ten zu ver­dich­ten und die Be­triebs­qua­li­tät der ver­spä­tungs­an­fäl­li­gen Li­nie zu ver­bes­sern.

Grund­sätz­lich gilt, dass in so­ge­nann­ten Fau­na-Flo­ra-Ha­bi­tat-Schutz­ge­bie­ten wie dem Thie­len­bruch kei­ne Ein­grif­fe vor­ge­nom­men wer­den dür­fen, die den Er­hal­tungs­zu­stand ver­schlech­tern. Das ge­sam­te Öko­sys­tem re­agiert sen­si­bel auf Ver­än­de­run­gen des Was­ser­haus­halts und bie­tet Le­bens­raum für et­li­che ge­fähr­de­te Pflan­zen- und Tier­ar­ten wie etwa der Bau­chi­gen Win­del­schne­cke und die Hel­ma­zur­jung­fer, eine streng ge­schütz­te Li­bel­len­art. Um dem Na­tur­schutz best­mög­lich Rech­nung zu tra­gen, wur­den die ein­zel­nen Maß­nah­men im Vor­hin­ein ge­mein­sam mit der Un­te­ren Na­tur­schutz­be­hör­de Köln, dem NABU, dem BUND so­wie dem Bünd­nis Hei­de­tras­se ent­wi­ckelt.

Mit Bau eines Bahndamms kann notwendiger Abstand zum Grundwasser gehalten werden

Mit­hil­fe des Mo­ni­to­rings soll eine gan­ze Rei­he von Fra­gen be­ant­wor­tet wer­den. Zum ei­nen brau­chen die Pla­ner ge­si­cher­te In­for­ma­tio­nen über den Grund­was­ser­spie­gel, um die Höhe der Glei­se fest­le­gen zu kön­nen. An­dert­halb Me­ter Ab­stand zum Grund­was­ser brau­chen Glei­se im Nor­mal­fall, wenn sie neu ver­legt wer­den. Ob die­ser Ab­stand beim Neu­bau im Kalk­flach­moor eben­erdig ab­zu­bil­den ist, er­scheint frag­lich. Beim Bau nach Stan­dard­ver­fah­ren wür­de die Tras­se nach un­ten tro­cken­ge­legt. Kei­ne gute Idee im ge­schütz­ten Flach­moor. Des­halb schlu­gen die Pla­ner vor, ei­nen Damm zu er­rich­ten, um die not­wen­di­ge Höhe für die neu­en Glei­se zu er­rei­chen, ohne das Grund­was­ser ab­zu­sen­ken.

Aber auch ein Damm wirft öko­lo­gi­sche Fra­gen auf. Das zeig­ten die Ge­sprä­che zwi­schen der DB und den Na­tur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen. So kön­nen Tie­re die Glei­se schlech­ter que­ren, wenn sie Hö­hen­un­ter­schie­de über­win­den müs­sen. Dis­ku­tiert wur­den da­her be­reits er­prob­te bau­li­che Lö­sun­gen für ver­schie­de­ne Tier­ar­ten, die nach ak­tu­el­lem Pla­nungs­stand im Thie­len­bruch ge­nutzt wer­den kön­nen. Ent­lang der Stre­cke las­sen sich Durch­läs­se für ver­schie­de­ne Tier­ar­ten ein­pla­nen. Sie er­mög­li­chen Tie­ren, die Glei­se zu que­ren und mi­ni­mie­ren die tren­nen­de Wir­kung ei­nes zu­sätz­li­chen Glei­ses.

Auch der Flä­chen­be­darf steigt leicht, wenn die Tras­se durch ei­nen Damm hö­her liegt. „So hoch und breit wie nö­tig, so nied­rig und schmal wie eben mög­lich“, um­schreibt DB-Pro­jekt­in­ge­nieur Timo Buck­ste­ge den Op­ti­mie­rungs­auf­trag für die­sen Stre­cken­ab­schnitt. „Wenn wir den Grund­was­ser­stand auch über den Jah­res­ver­lauf ken­nen, lässt sich der Pa­ra­me­ter Flä­chen­ein­griff bes­ser quan­ti­fi­zie­ren und ge­ge­be­nen­falls op­ti­mie­ren“, so Buck­ste­ge wei­ter. Mög­li­che Aus­gleichs­maß­nah­men für den Flä­chen­be­darf beim Aus­bau der S-Bahn will die DB im wei­te­ren Pla­nungs­ver­lauf ge­mein­sam mit Ver­tre­tern des Na­tur­schut­zes prü­fen. Da­für braucht das Pla­ner­team vor al­lem: Zah­len, Da­ten, Fak­ten.

Insgesamt 14 solcher Messstellen erfassen über das gesamte Naturschutzgebiet verteilt die Höhe des Grundwasserspiegels.

Flächenbedarf: ein DIN-A4-Blatt

Mit einem Bohrgerät wird ein maximal acht Zentimeter breites und rund sieben Meter tiefes Loch gebohrt, in das die Messstelle eingesetzt wird. Bei der Bohrung werden die Bodenschichten nicht dauerhaft durchtrennt.

Die In­for­ma­ti­ons­la­ge zum Was­ser­haus­halt im FFH-Ge­biet Thie­len­bruch war bis­lang sehr lü­cken­haft. Zwar gab es schon in der Ver­gan­gen­heit ver­schie­de­ne Un­ter­su­chun­gen der hy­dro­geo­lo­gi­schen Be­din­gun­gen, al­ler­dings nie über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum. Ein Früh­warn­sys­tem für Schwan­kun­gen beim Grund­was­ser exis­tiert nicht.

Die DB hat des­halb das Mo­ni­to­ring in Ab­stim­mung mit den Ver­tre­tern des Na­tur­schut­zes gleich­zei­tig als Früh­warn­sys­tem kon­zi­piert. Die Mess­stel­len des Grund­was­ser­mo­ni­to­rings wer­den so im ge­sam­ten 62 Hekt­ar gro­ßen Are­al des Thie­len­bruchs ver­teilt, dass die Kom­ple­xi­tät des ge­sam­ten Öko­sys­tems er­fasst wird. Da­für wer­den zehn Mess­punk­te im Na­tur­schutz­ge­biet selbst in­stal­liert. Die hier­für be­nö­tig­te Flä­che ist ins­ge­samt etwa so groß wie ein DIN-A-4-Blatt.

Hin­zu kom­men drei be­stehen­de Messtel­len au­ßer­halb des Ge­biets, die vor­aus­sicht­lich re­ak­ti­viert wer­den kön­nen, so­wie ein Mess­punkt für Ober­flä­chen­was­ser. Für die Mess­stel­len wird je­weils ein klei­nes Loch mit ei­nem Durch­mes­ser von ma­xi­mal acht Zen­ti­me­tern bis zur grund­was­ser­füh­ren­den Schicht ge­bohrt. Die In­stal­la­ti­on wird so durch­ge­führt, dass es zu kei­ner dau­er­haf­ten Durch­tren­nung der Bo­den­schich­ten kommt.

 In jede Mess­stel­le wird ein Da­ten­log­ger ein­ge­baut, über den re­gel­mä­ßig die Höhe des Was­ser­spie­gels er­fasst wird. Die Da­ten aus der Mess­stel­le wer­den in der Pla­nungs­pha­se au­to­ma­tisch per Funk­mo­dul an den Lap­top des DB-Mit­ar­bei­ters ge­schickt, der die Da­ten un­mit­tel­bar vor Ort aus­wer­ten kann.

Zum ersten Mal werden kontinuierliche Daten des Grundwassers erhoben

Die Be­ob­ach­tung der Was­ser­stän­de star­te­te also weit vor dem Bau­be­ginn. Da­mit wer­den zum ers­ten Mal kon­ti­nu­ier­lich Da­ten zu den Ge­wäs­sern vor Ort er­mit­telt. Käme es nach Be­ginn der Bau­ar­bei­ten zu auf­fäl­li­gen Ver­än­de­run­gen, wäre eine schnel­le ge­ziel­te Ur­sa­chen­ana­ly­se mög­lich. Um­ge­kehrt gibt es Ver­mu­tun­gen, dass sich die Ei­sen­bahn­stre­cke so­gar po­si­tiv auf den Was­ser­stand aus­wir­ken könn­te. Das Grund­was­ser fließt hier von Nord­ost nach Süd­west und der ver­dich­te­te Bahn­kör­per könn­te dazu bei­tra­gen, das Was­ser im nörd­lich ge­le­ge­nen Kalk­flach­moor zu hal­ten.

Die Messrohre auf ihrem Weg zum Einbau. Sie sind die wichtigsten Bestandteile für das Monitoring. Mit ihrer Hilfe wird der Wasserstand kontrolliert. Das ermöglicht künftig Rückschlüsse auf die Bewegung und Beschaffenheit des Grundwassers.